Vintage für moderne Menschen

Vintage- oder Oldtimermodelle sind schon etwas schönes – Sie erinnern nicht nur an längst vergangene Epochen, sondern auch daran, dass nicht immer alles möglichst schnell und spektkulär sein muss. Es geht um die Verbundenheit zum Element Luft, darum einfach wieder ein Stückchen Kindheit zurückzuholen und für einen kurzen Moment wieder zu “spielen” – ohne Leistungsdruck und Geltungsdrang. Genauso sieht es auch aus wenn John Woodfield vor traumhafter Kulisse seine Vintagegleiter durch die Lüfte manövriert – man könnte ihm stundenlang zusehen ohne dass es langweilig wird:

Dieses, und viele seiner anderen Videos riefen in mir das dringende Bedürfnis hervor auch wieder einmal die Welt um mich herum zu vergessen, mich voll und ganz auf den Aufwind zu konzentrieren und das Gefährt meiner Wahl für diese metaphorische Reise sollte – wie kann es auch anders sein – ein Super Sinbad sein (im deutschsprachigen Raum auch oft  Super Sindbad genannt). Da der 3D-Drucker immer das Werkzeug meiner Wahl ist machte ich mich daran Infos über das Modell zu suchen, mir Pläne anzusehen und zu überlegen wie dieser knapp 60 Jahre alte Entwurf den Weg in die digitale Welt finden könnte.

Der Prozess 3D Druckdaten für ein bestehendes Modell zu erstellen ist zwar ein wenig einfacher als eine gänzlich neue Konstruktion zu etablieren, aber trotzdem benötigte es einiges an Zeit die wunderschöne Form des Sinbad ins CAD-Programm zu übertragen.

Da mein Mini Sinbad ein möglichst breit gefächertes Einsatzgebiet haben sollte war für mich von Anfang an klar, dass ich es nicht bei dem Originalflügelpaar belassen werde. Vielmehr musste ein System her mit dem man schnell zwischen 2 verschiedenen Tragflächen wechseln kann. Im Original besitzt der Sinbad eine starke V-Form und ein stark geschwungenes Profil. Querruder sind beim Original nicht vorgesehen. Der von mir entworfene Flügel weist eine deutlich geringere V-Form auf, hat Querruder mit integrierten Schanieren und ausserdem ein RG-15 Profil (ideal als Allround Profil für den sportlichen Hangflug).

Damit die Flügel am Flugfeld auch unkompliziert und vor allem werkzeuglos getauscht werden können bekam der Sinbad ein Adapterstück verpasst welches die verschiedenen Tragflächen aufnimmt und über 2 Laschen mit dem Rumpf verbunden wird – so kann einfach zwischen dem lansamen “Floaterwing” und dem schnelleren “Acrowing” gewechselt werden.

Ein weiteres Anliegen war die Druckbarkeit mit verschiedenen Materialien. Daher wurde alles so konstruiert, dass das Modell mit LW-PLA, PETG und herkömmlichem PLA gedruckt werden kann. Ich empfehle trotzdem den Sinbad mit LW-PLA zu drucken, da das Abfluggewicht so weit niedriger ist als mit anderen Werkstoffen (LW-PLA: 400g, PETG: 700g). Ausserdem hat LW-PLA die idealen Eigenschaften für den Flugmodellbau.

Infill als Innenstruktur –  Frevel oder Geniestreich?

Jeder der sich in den Foren ein bisschen eingelesen hat weiß, dass es als “schlechter Stil” angesehen wird bei der Konstruktion von 3D-druckbaren Modellen auf eine definierte Innenstruktur zu verzichten und stattdessen den Slicer die Arbeit übernehmen zu lassen. Doch ist das “Infill” zurecht als “Dickmacher” verschrien? Das kann man so nicht beantworten.

Ja, meistens werden Bauteile schwerer wenn Infill statt einer selbst definierten Innenstruktur verwendet wird
Ja, man hat auf die Platzierung des Infill keinen oder nur wenig Einfluss
ABER
Infill kann vor jedem Druck individuell eingestellt werden. So kann jeder selbst entscheiden welcher Teil mehr Verstärkung benötigt und wo vielleicht Gewicht gespart werden kann. Viele moderne Slicer wie der Prusaslicer bieten inzwischen umfangreiche Möglichkeiten mittels Meshmodifier die Dichte, Art und Platzierung des Infills für jeden kleinsten Bereich eines Modells anzupassen. Ausserdem kann ein STL welches ohne fixe Innenstruktur heruntergeladen wurde leichter modifiziert werden.

Beim Einsatz von Infill bei Flugzeugen aus dem Drucker ist es immer wichtig um welche Art von Infill es sich handelt – Beim Prusaslicer zB ist die Infillart “Cubic” eine der leichtesten – sie produziert kaum Doppelwandigkeit und trägt nicht zu dick auf. So entstehen zB mit 2-3% Infill und einer Aussenwand wunderbare Ultraleichtstrukturen wenn die Druckeinstellungen stimmen (während des Druckes unbedingt prüfen ob die Struktur des Infill schön durchgehend ist, falls nicht Druckgeschwindigkeit für Infill verringern!) . Genau aus diesem Grund wird der Rumpf des Mini Sinbad mit diesem Verfahren gedruckt. Nach einigen Testdrucken habe ich für jeden einzelnen Teil die geeignete Infillart- und Dichte ermittelt und diese ganzen Informationen in Projektfiles verpackt die mit dem Download zu dir nach Hause kommen.

Es gibt aber auch Stellen wo die Infilltechnik fehl am Platz ist – und das sind definitiv die Tragflächen. Als hochbelastete Teile benötigen die Tragflächen eine gut durchdachte Struktur und müssen gleichzeitig schön leicht und stabil sein. Daher besitzt der Minisinbad eine definierte Flügelinnenstruktur, verstärkt durch einen 4mm Kohlestab und einem V-Verbinder aus PETG oder PLA.

Zusammenbau

Wie bei allen Modellen aus unserem Portfolio geht auch hier der Aufbau sehr schnell und sollte innerhalb von max. 2,5 h erledigt sein. Neben ein paar kleinen Schleifarbeiten gilt es nur die Einzelteile auf die Carbonstangen bzw. die Bowdenzugrohre aufzufädeln und mit Sekundenkleber zu verbinden – wahrlich keine Raketenwissenschaft.

Ab in die Lüfte

Der Mini Sinbad hat ein sehr gutmütiges Flugverhalten. Speziell mit dem Originalflügel weist er eine hohe Eigenstabilität auf und lässt dem Piloten viel Zeit zu reagieren. Der Acrowing holt die sportliche Seite des Oldies hervor, die Grundgeschwindigkeit ist wesentlich höher und die Querruder machen das Modell agiler. Aus LW-PLA gedruckt kann man den Mini Sinbad getrost schon bei geringen Windgeschwindigkeiten aus dem Kofferraum holen, die schwerere Variante aus PLA oder PETG sollte bei Windgeschwindigkeiten unter 25 km/h eher eingepackt bleiben – aufgrund des höheren Gewichtes benötigt sie schon etwas mehr Aufwind als die federleichte LW-PLA Variante.

Zum Video:

Blogger testen…

Da die besten Inputs meist von Unbeteiligten kommen lassen wir unsere Modelle regelmäßig von verschiedensten Personen testen. Meist suchen wir uns schon in der Entwicklungsphase Leute die das Modell gerne auf Druckbarkeit testen und uns wertvolle Inputs geben können bevor wir die Dateien veröffentlichen.
Beim Mini Sinbad steht uns Pierre Milcent aus Frankreich mit seinem genialen, extrem detaillierten Blog  zur Seite (klare Leseempfehlung!):

https://milcent.wordpress.com/

Gemeinsam mit Pierre konnten wir bereits einige Verbesserungen umsetzen, speziell die Entwicklung einer geräumigeren Motornase war wichtig. Ausserdem wurden in der Revision 0.2 die Bowdenzüge besser verlegt und der Übergang von Rumpf zu Leitwerk etwas massiver gestaltet.

Wer nach einer geeigneten Motorisierung sucht wird in Pierre´s Blog fündig!